Toggenburger Backstube
Mai 31, 2025

Was kommt heute aus dem Ofenloch? Kein ofenfrisches Gebäck, und ich schäle auch keine Kartoffeln für einen Ofenguck. In der Toggenburger Backstube bin ich heute zum dritten Mal, wobei ich diesen wunderbaren, etwas versteckten Ort einmal von der Schwägalp her passierte und meine Wanderung über den Hinderfallenchopf fortführte bis Ennetbühl.

Heute bin ich mit Bruno unterwegs, der die Tour über die GE-App ausgeschrieben hatte. Dieses Mal ist der Plan, dem Bach Necker entlang zu folgen und ins eigentliche Ofenloch hineinzugelangen. Es ist ein eher kurzer, jedoch abenteuerlicher Weg, den man sich selber suchen muss. Denn der Weg führt dem Bach entlang, durch den Bach hindurch, und dann muss man wieder über Nagelfluhfelsen steigen und einige rutschige Felsen in Schräglage überwinden. Dazu gehört auch, über Baumstämme zu steigen oder unter solchen hindurch zu kriechen. Man wird also definitiv nass und schmutzig. Die sich mehr als lohnende Entschädigung ist das eigentliche Ofenloch, wo die Felsen orange-rot dem Himmel empor leuchten.

So, nun aber der Reihe nach. Bruno holt mich in Brunnadern mit dem Auto ab. Wir fahren bis zum Parkplatz Mistelegg kurz nach dem Restaurant Alpstöbli. Nun folgt gut eine Stunde Anmarsch über einen gut präparierten Kiesweg bis Ampferenboden, einem Picknickplatz mit Feuerstelle; dies ohne wesentliche Höhenunterschiede. Wir sind früh dran – die Ersten heute. Das ist aufgrund der angekündigten Tagestemperaturen auch gut. Selbst wenn der «Weg» mehrheitlich im Schatten liegt, wird einem doch warm beim ständigen Vorwärtskommen über Stock und Stein. Ich liebe dieses wilde Grün und den moosigen Duft in der Necker-Schlucht. Wie gesagt, den Weg muss man selbst finden. Und auch wenn es mir scheint, dass es vor sieben Jahren, als ich erstmals hier war, ähnlich aussieht, formt die Natur die Landschaft immer wieder neu. So entdecken wir einen grösseren Felsabbruch gleich nach der ersten kurzen Felsstufe mit Seilhilfe. Als ich das Seil ergreife, rinnt das Wasser bis zu den Achseln. Tja, das gute Seil ist eben nass.

Das Kraxeln über umgefallene Baumstämme und über die Nagelfluhfelsen macht mir Spass. Immer wieder müssen wir kurz innehalten, um den besten Weg zu erspähen. An einigen Stellen pressen wir die Körper gegen die Felswand und halten uns an einzelnen Steinen fest, hinter uns der tosende Bach, der sich teils aufschäumend durch Engstellen bahnt.

Je weiter wir zum eigentlichen Ofenloch kommen, umso roter leuchten die steil aufragenden Felsen. Die Sonnenstrahlen beleuchten die bis zu 100 Meter hohen Felswände und die über sie purzelnden Wasserfälle. Es entsteht der Eindruck, als würde das Wasser weiss glitzern. Schliesslich erreichen wir das Ende des U-förmigen Ofenlochs. Hier sind zwei weitere weisslich-schillernde Wasserfälle zu sehen. Eine erfrischende Dusche unter dem noch jungen Necker tut gut. Der Necker entspringt in dieser Gegend. Hoch oben quert der offizielle Wanderweg von der Schwägalp her die spektakuläre Schlucht.

Nun steigen wir noch in die Grotte hoch. Hm, ein Helm wäre hier vielleicht ganz gut gewesen. Ich sehe einige heruntergefallene Felsbrocken. Doch ich habe meine Wanderschutzengel dabei und vertraue ihnen, dass aller Fels hält, solange ich mich hier aufhalte. Bruno ist flink bereits oben, währenddem ich «Fototante» noch am knipsen bin. In der Grotte stehend, fällt der eine Wasserfall sanft und im Sonnenlicht schillernd über uns hinweg. Die Sicht in den hintersten Teil des Ofenlochs ist von hier aus wirklich eindrücklich.

Einen Backofen sehen wir trotz guter Suche nirgends. Dennoch geniesse ich im Schatten ein leckeres Sandwich. Es kommt nicht aus dem Ofenrohr, sondern aus dem Rucksack. Ich liebe es, an diesem Ort zu sein. Zum einen, weil wir früh dran sind und noch keine anderen Menschen hier sind (es kommen so oder so nicht so viele hierher) und weil es magisch und kraftvoll ist. Schon bei meinem erstmaligen Besuch vor einigen Jahren hat mich dieser Ort landschaftlich und energetisch beeindruckt.

Kurz später sind wir auf dem Rückweg. Es gilt, wiederum über all die Felsen und Baumstämme zu steigen, sich bei einer Querung am Seil festzuhalten, dann wieder über den Bachlauf zu springen. An einigen Stellen denke ich: Wo sind wir vorhin genau entlanggegangen? Von der anderen Seite her sehen einige Schlüsselstellen doch leicht anders aus. An einer Stelle, wo sich der Bach sprudelnd durch eine engere Felsrinne schlängelt und danach ein einladendes Wasserbecken bildet, beschliesst Bruno: «Ich möchte noch kurz baden.» Er meint, er bade immer, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Bitteschön, ich warte.

Während unserem Rückweg gibt es später doch das eine oder andere «Hoi» und «Grüezi». Etwa ein Dutzend Menschen queren unseren Weg. Zurück beim Ampferenboden gehen wir auf der anderen Seite des Bachlaufs entlang. Den Weg suchend, steigen wir einen waldigen Hang hinunter und entdecken nochmals eine schmucke, enge Schluchtenpassage und einen weiteren Wasserfall. Dann stellt sich die Frage, ob wir weiter auf dieser Bachseite bleiben wollen. Die Sonne «brätelt» schon ganz schön auf unsere Köpfe. So queren wir die schon in leichte Schieflage geratene Holzbrücke, die eigentlich nur dem Hof weiter oben als Zugang dient. Glück gehabt, die wackelige Brücke hält. So gelangen wir wieder auf den gekiesten Waldweg, der uns zum Auto zurückbringt. Bruno erzählt mir dabei aus seinem bewegten Leben.

Die trocken gewordenen Kehlen befeuchten wir im Restaurant Rössli in Bächli bei Hemberg, bevor mich mein Wanderbegleiter am Bahnhof von Gossau aus dem Auto springen lässt. Vielen herzlichen Dank für den tollen Tag in der Toggenburger Backstube respektive dem Grand Canyon der Ostschweiz.

Passende Beiträge

Rezept für ein Kraxelabenteuer

Rezept für ein Kraxelabenteuer

Das heutige Menü – äh Wandertour – gefällt mir prima. Nach ein paar regnerischen Tagen ist auch das Wetter prima. Doch nun erst einmal die Zutaten für ein gelingendes Menü – äh einen gelingenden Tag. Für das Menü «Hörnli à la West Side» nehme man: 1 eine Freizeit-App...

Stotziger Grenzberg mit Steinblume

Stotziger Grenzberg mit Steinblume

Relativ steile 1'200 Höhenmeter will ich heute anpacken. Start ist in Rovio im Val Marra beim Luganersee. Im Tessin ist für dieses Wochenende sonniges Wetter angesagt, im Gegensatz zur restlichen, regnerischen Schweiz. Ausgangspunkt ist Bellinzona. Tags zuvor wanderte...

Burgen, Schlösser, Grafen und Aliens

Burgen, Schlösser, Grafen und Aliens

Auf geht’s ins freiburgische Greyerzerland. Mich begleitet ein ehemaliger Arbeitskollege, der perfekt französisch spricht – ist von Vorteil in der Romandie 😉 Unsere Wanderung beginnt in Le Bry respektive Pont-on-Ogoz am Greyerzersee. Unser erstes Ziel liegt uns...